Marleen Wrage arbeitet als florale Künstlerin in Hamburg-Altona. Seit 2021 experimentiert sie mit ihrem Studio other vase mit floralen Strukturen, Formen und Farben, und erkundet dabei das Potenzial von Blumen als künstlerisches Medium.
Seit wann arbeitest du mit Blumen und wie kam es dazu?
Ich habe eigentlich Amerikanische Literaturwissenschaften und Woman and Gender Studies studiert und anschließend auch in Kulturinstitutionen gearbeitet. Aber mit dem Beginn der Pandemie habe ich mit einem Jetzt-oder-nie-Gefühl entschieden, mich mit dem selbstständig zu machen, was mir neben der Literatur schon immer großen Spaß gemacht hat: der Arbeit mit Blumen und Pflanzen. Ich habe schon früher gerne im Garten gearbeitet und mir wilde Blumensträuße zusammengestellt.
Auf Städtereisen besuche ich immer die botanischen Gärten, bei Ausflügen aufs Land oder in andere Länder bin ich von den unterschiedlichen Landschaften begeistert und von den Kombinationsmöglichkeiten der Natur überrascht.
Mit other vase habe ich die Möglichkeit, diese Begeisterung zu pflegen und zu teilen. Ich genieße die Großmarktbesuche vor Sonnenaufgang und die Ruhe im Studio am Morgen. Mir gefällt das kreative und freie Arbeiten mit dem Material und den Händen. Und ob ich ein Fotoshooting oder einen Messestand ausstatte, einen Geburtstagsstrauß oder einen Trauerkranz anfertige, für ein Modelabel arbeite, oder eigene freie Projekte konzipiere: Hinter jeder floralen Arbeit stehen Emotionen und Geschichten.
Wo findest du Inspiration für deine Installationen?
Mich inspirieren natürliche Pflanzenwelten wie eine moosige Waldlandschaft oder eine sommerlich blühende Wildblumenwiese. Aber auch der achtlos weggeworfene Kiosk-Blumenstrauß am Straßenrand oder die Plastikblumen-Dekoration im Schaufenster eines in die Jahre gekommenen Waschsalons können kreative Impulse sein. Manchmal bringen mich ein Theaterbesuch, ein Satz aus einem Roman oder die Lyrics eines Songs auf neue Ideen. Und auch der Austausch mit anderen Kreativen in meinem Freund:innenkreis – Illustrator:innen, Bildhauer:innen, Modedesigner:innen, Keramikkünstler:innen – ist für mich von großer Bedeutung. Ich sehe die Arbeit mit Blumen als Kunstform, die so unerschöpflich ist wie jede andere. Durch unerwartete Kombinationen von Farben und Texturen, durch skulptural-artifizielle Formen und ästhetische Clashs kann auch hier immer wieder etwas Neues und Spannendes entstehen. Zum Glück gibt es mittlerweile viele tolle florale Künstler:innen, die daran arbeiten, die Idee von Blumen als immer gleiche Deko-Ware zu ändern und ihr ganzes kreatives Potenzial erkunden.
Welches ist deine Lieblingsblume oder Pflanze und warum?
Das hängt von der Jahreszeit und meiner Stimmung ab!
Ich bin ein großer Fan von ausgefallenen Formen: ob krauser japanischer Allium, hängender Amaranthus oder die rankende Gloriosa. Außerdem interessieren mich außergewöhnliche Farben, zum Beispiel bei Orchideen. Früher fand ich sie furchtbar altmodisch, meine Großeltern hatten ihr ganzes Haus mit Orchideen in weiß und rosa gefüllt. Dabei hat keine andere Pflanzenfamilie ein solches Spektrum aufzuweisen, von
giftgrünen Frauenschuhorchideen bis zu pink gesprenkelten Phalaenopsis. Heute habe ich selbst immer wieder welche zu Hause stehen. Und bei einem Kunstprojekt auf dem Friedhof Ohlsdorf habe ich gerade mit karnivoren Pflanzen gearbeitet, die mich mit ihren Strategien zur Versorgung mit Mineralstoffen
fasziniert haben.
Kurzum: es wechselt ständig und ich lasse mich immer gerne aufs Neue inspirieren!
Abschließend unsere Lieblingsfrage, die wir immer stellen:
What do you add to your life to make it better?
Seit der Pandemie ist der stupid little walk von meinem Altonaer Studio
aus nach St. Pauli oder Ottensen zum wichtigen Teil meiner Tagesroutine geworden. Ich höre meine aktuelle Lieblingsplaylist hoch und runter, stoppe für einen Cappuccino, stöbere im Buchladen oder auf dem Markt, treffe auf dem Weg Freund:innen und Nachbar:innen und kriege den Kopf frei für den Rest des Tages. Ich mag die freie, selbstständige Arbeit und sehe sie auch als feministische Praxis. Aber man muss gut auf sich aufpassen, und Pausen sind mir für meine mentale und physische Gesundheit sehr wichtig.
Danke für den kleinen Einblick, Marleen!
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Photo Credits: Kristina Kröger www.kristinakroeger.com / Fungi Phuong Tran Minh https://tranminh.de/ /
Lina Mackeprang www.instagram.com/lina_mackeprang
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